Die Bioökonomie kann ein zentraler Baustein für die Transformation unserer größtenteils auf Kohle, Öl und Gas gestützten Wirtschaft sein. Nachwachsende Rohstoffe und synthetische Kohlenstoffverbindungen sind jedoch knapp und teuer. Sie sollten in Bereichen wie der chemischen Industrie eingesetzt werden – und nicht als Energieträger. Damit der Umschwung von der fossilen Wirtschaft zur Bioökonomie gelingt, muss fossiler Kohlenstoff auch teurer werden. Das ifeu stellt jetzt die Ergebnisse von vier richtungsweisenden Studien vor.
„In der chemischen Industrie und mittelfristig auch in Teilen des Verkehrssektors werden weiterhin Kohlenstoffverbindungen gebraucht. Hier können wir Biomasse und andere erneuerbare Kohlenstoffquellen für Chemikalien, biobasierte Produkte oder Treibstoffe nutzen und damit fossilen Kohlenstoff in Form von Öl und Gas ersetzen“, so ifeu-Projektleiter Dr. Heiko Keller. „Bioökonomie liefert weit mehr als Kraftstoffe aus landwirtschaftlicher Biomasse“, ergänzt Nils Rettenmaier, ebenfalls Projektleiter und Experte für
Biomasse und Bioökonomie am ifeu. Die Ressourcen der Bioökonomie seien jedoch ein knappes Gut. Anbauflächen für nachwachsende Rohstoffe seien durch die Nahrungsmittelproduktion und den Schutz der Biodiversität begrenzt.
Solche Anbaubiomasse können den langfristigen Bedarf an Kohlenstoff ebenso wenig decken wie biogene Reststoffe. Defossilisierung der Wirtschaft braucht Rahmenbedingungen. Für den Aufbau eines stabilen Marktes bräuchte die Bioökonomie faire Wettbewerbsbedingungen, in denen ihre Vorteile gegenüber Produkten aus
fossilen CO2-Quellen berücksichtigt sind, so die Experten. So können sich Produkte aus biogenen Rohstoffen langfristig durch eine höhere CO2-Steuer gegen die bisher billigeren fossilen Rohstoffe durchsetzen. Außerdem müsse mittelfristig genügend grüner Strom und Wasserstoff bereitstehen.
„Wenn die Weichen richtig gestellt werden, kann die Bioökonomie einen wesentlichen Beitrag zur Defossilisierung leisten“ so Rettenmaier. „Sie ist ein bedeutendes Puzzleteil in der Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft.“
Für große Teile der Wirtschaft sind inzwischen Wege zum Abschied von fossilen Energieträgern absehbar – etwa mit Elektroautos und Wärmepumpen statt Verbrennungsmotoren und Gasheizungen. Doch eine vollständige Dekarbonisierung des Wirtschaftssystems ist weder möglich noch sinnvoll. Das ifeu erforscht daher Technologien, die nachhaltigen erneuerbaren Kohlenstoff verfügbar machen. Die Berichte von vier kürzlich beendeten Großprojekten liefern wertvolle neue Erkenntnisse.
Anderweitig kaum nutzbare Ackerflächen (re)aktivieren
In der EU gibt es viele ungenutzte Ackerflächen und einige Sonderstandorte wie Tagebaufolgeflächen. Mit dem Anbau von genügsamer Biomasse auf diesen sogenannten Marginalflächen kann die zunehmende Flächennutzungskonkurrenz abgemildert werden. Im Projekt MAGIC hat das ifeu Randbedingungen identifiziert, die für eine nachhaltige Umsetzung eingehalten werden müssen:
• Es muss darauf geachtet werden, die Artenvielfalt, die auf Teilen dieser Flächen hoch sein kann, durch die Nutzung nicht zu gefährden.
• Ohnehin nötige Förderungen mit entsprechenden Auflagen zu versehen, kann eine Lösung dieses Zielkonfliktes sein.
Detaillierte Empfehlungen finden sich im Bericht zu MAGIC unter
https://www.ifeu.de/projekt/magic
Biomasse-Reststoffe in langfristig benötigte Produkte umwandeln
Viele Reststoffe wie Stroh oder Grüngut aus der Landschaftspflege (sogenannte lignozellulosische Reststoffe) werden zu großen Teilen nicht genutzt. Andere wie Waldrestholz werden derzeit vor allem zur energetischen Nutzung verbrannt. Wärme kann und sollte aber mittelfristig etwa über Wärmepumpen mit Ökostrom erzeugt werden. Der knappe erneuerbare Kohlenstoff ist zu kostbar für diese dekarbonisierbaren Anwendungen. Damit diese Reststoffe künftig effizient in Produkte wie Chemikalien oder Flugtreibstoffe umgewandelt werden können, werden jetzt neue Technologien entwickelt.
Das Projekt UNRAVEL hat untersucht, wie neue Prozesse und Wertschöpfungsketten für Chemikalien und Baustoffe (Isolierschaumplatten, Bitumen-Dichtbahnen etc.) aufgebaut werden können. Aus Nachhaltigkeitssicht entscheidende Fortschritte waren dabei:
• Der Prozess kann nun verschiedene Reststoffe bei konstanter Produktqualität flexibel nutzen – je nach nachhaltiger Verfügbarkeit.
• Die Energieeffizienz des Hauptverfahrens (Organosolv) wurde deutlich gesteigert.
• Ein technischer Flaschenhals wurde identifiziert, der bisher dafür verantwortlich ist, dass besonders derzeit kaum genutzte Reststoffe weniger effizient umgewandelt werden können.
Konkrete weitere Schritte, wie der Prozess sowohl aus Rohstoff- wie auch Produktperspektive zukunftssicher weiterentwickelt werden könnte, sind in den Berichten aufgeführt (Link: https://www.ifeu.de/projekt/unravel).
Lignozellulosische Reststoffe können ebenso mittels Pyrolyse als Ausgangsstoff für Bio-Öl dienen. Ein im Projekt BioMates entwickeltes Verfahren verwendet grünen Wasserstoff, um das Bio-Öl für eine problemlose Einspeisung in Erdöl-Raffinerien aufzubereiten. Durch den Teilersatz von Erdöl in Raffinerien durch Bio-Öl können relativ kurzfristig Treibhausgas-Emissionen reduziert werden. Dies ist aus Nachhaltigkeitssicht dringend nötig. Langfristig könnte vor allem der Anteil der Raffinerieprodukte für die Chemie, Flug- und Schiffstreibstoffe ausgebaut werden. Die Nachhaltigkeitsbewertung ist unter https://www.ifeu.de/projekt/biomates verfügbar.
Synthetische Kohlenwasserstoffe
Im Projekt eForFuel wurde nicht Biomasse als Kohlenstoffquelle, sondern die Synthese von Kohlenwasserstoffen aus CO2 aus industriellen Punktquellen (hier: Gichtgas) sowie der Luft untersucht. Dieses kann in einer Elektro-Bioraffinerie unter Einsatz von erneuerbarem Strom und Wasser zu Ameisensäure umgewandelt und in einem Bioreaktor mit Hilfe von Mikroorganismen fermentiert werden. Als Endprodukte entstehen synthetische Kraftstoffe wie z.B. Propan und Isooktan. Haupterkenntnisse aus diesem Projekt:
• Erneuerbarer Kohlenstoff kann in weit größeren Mengen gewonnen werden, wenn er aus CO2 statt pflanzlicher Biomasse stammt. Allerdings ist auch in diesem Fall eine effiziente Verwendung entscheidend, weil die Nutzbarmachung mit hohem Energieaufwand verbunden ist.
• Es konnten viele Verbesserungsoptionen identifiziert werden. Bis zu einer Marktreife wird aber noch einige Entwicklungsarbeit benötigt.
Details und Berichte sind unter https://www.ifeu.de/projekt/eforfuel verfügbar.
Quelle: ifeu-PM vom 15.2.2023
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